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Samstag, 29 Oktober 2016 01:29

Flaco de Nerja: „Das Geheimnis ist, wie viel Zeit dem Flamenco gewidmet wird“

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Flaco de Nerja: „Wie viel von seiner Zeit man dem Flamenco widmen möchte, das ist die eigentliche Frage und das Geheimnis.“ Branislav de Nerja, Branco Nerja, oder einfach besser bekannt unter dem Künstlernamen „Flaco de Nerja“, ist ein Musiker, Komponist und Flamencogitarrist. Mit seiner hervorragenden musikalischen Illustrierung und seiner eindrucksvollen Leistung auf der Gitarre findet Flaco in der Flamencoszene, weitaus über die Grenzen Wiens und Österreichs, große Bewunderung und Faszination.   

Interview: Laura Espinoza García / Übersetzung: Soraya Sahli

Flaco de Nerja wird am 4. April 1974 in Bratislava (Slowakei) geboren. Mit nur 11 Jahren fing er an Gitarre zu spielen. Mit seinem fröhlichen Gemüt und einer heißen Tasse Kaffee, erzählt uns Flaco von seinem Leben mit der Musik und insbesondere seinem Leben mit dem Flamenco

Eine Musik voller Energie und arabischen Klängen, voller Dramatik und Leidenschaft. Eine Musik, die Geschichte schreibt und Geschichten erzählt. Eine Musik die verbindet.

Wo und wie wird „El Flaco de Nerja“ geboren?

In Málaga um 1998. Branislav war für die meisten Spanier einfach zu lang und zu schwierig zu merken. Ich war schon immer recht dünn, und so entstand eigentlich recht schnell der Name Flaco. „Wer spielt heute Nacht?“, fragten sie und die Antwort war: „el flaquito“. (der Dünne), „Flaco“, ja „Flaco de Nerja“ spielt. „El Flaco de Nerja.“

Wo und wann hast du die Gitarre für dich entdeckt?

Bei uns Zuhause in der Slowakei spielte mein Onkel leidenschaftlich Gitarre. Von Rock, Jazz über Blues und Folklore, was auch immer, die Gitarre war immer präsent, Auch meine Brüder spielten als Amateurgitarristen.

Mein Schwager war wohl derjenige, der viel Zeit in das Gitarrespielen investierte. Er hat mir mal eine Aufnahme von Paco de Lucia gebracht, „Almoraima“.  Die Aufzeichnung war zu seiner Zeit revolutionär, und das nicht nur in der Flamencoszene.  Ich habe das angehört und das was ich gehört habe, hat mir gefallen.

Da habe ich mich verliebt

Wir sind zuhause mit klassischer Musik aufgewachsen, mit der Zigeunermusik der Straßenmusiker. Unsere Musikin der Slowakei hat einen starken Einfluss von Zigeunermusik und deshalb habe ich den Flamenco auch schnell verstanden. Nun ja das habe ich zumindest gedacht. Mit der Zeit habe ich dann auch bemerkt, dass man viel üben muss.

Ich habe mich auf die Suche gemacht, wo ich diese Technik lernen kann um Flamenco spielen zu können.

Wie auch andere tausende von Gitarristen weltweit, habe auch ich den Flamenco durch Paco de Lucia für mich entdeckt.

Der Meister hat uns alle geprägt!   

Wie alt wart du als du mit dem Gitarre -spielen angefangen hast?

Als ich 13 Jahre alt war, brachte mir einst mein Vater ein Kasettenband mit einer Aufnahme von Siroco von Paco de Lucia. Zu diesem Zeitpunkt fing ich mit der Technik des Flamencos an, aber meine Gitarrenanfänge machte ich mit 11.

Wo siehst du den Unterschied zwischen einem „gemachten Musiker“ und einem, der die Musik  in sich trägt? Welche Bedeutung hat letzteres für dich?

Ein Musiker, der das „Musiker sein“ in sich trägt, und dabei seine eigene Musik interpretiert, unabhängig vom Genre, ist ein Musiker, der das „Musiker sein“ in sich trägt.

Das Gleiche passiert mit einem studierten Musiker, der erst später die Möglichkeiten seiner Kreativität entdeckt, man wird da keinen Unterschied erkennen. Viele Leute sagen, dass die Spanier den Flamenco im Blut haben, aber nein, nicht die Spanier haben den Flamenco im Blut, sondern das was im Blut ist, ist die Art uns auszudrücken. Es ist selbstverständlich, dass jede Kultur sich voneinander unterscheidet, aber die Musik ist sehr international.

Die Musik ist eine Sprache, die keine Grenzen versteht.

Was heißt es für dich Musiker zu sein?

Es ist ein Dilemma. Ganz ehrlich gesagt, es ist sehr kompliziert. Des Öfteren haben wir unter Kollegen darüber diskutiert. Oft sagen wir, dass man ein Musiker ist wenn man komponiert, wenn man kreativ ist. Aber nein, auch der, der interpretiert, denn auch das ist nicht leicht, ist deshalb nicht weniger Musiker.

Ich persönlich mag es überhaupt nicht Paco de Lucia zu interpretieren. Jedes einzelne Mal wenn ich es machen muss, bin ich sehr nervös. Im Gegenteil, wenn ich meine eigenen Sachen spielen kann, da bin ich sehr entspannt. Deshalb spiele ich lieber meine eigene Musik, als die von anderen, auch wenn ich zweifellos Vieles von anderen gelernt habe. Ein Musiker ist eine Person, die ein Gefühl an ein Publikum, oder an nur eine einzige Person vermitteln kann.

Es ist ein sehr heikles Thema.  Ich will auch nicht viel philosophieren, da verliere ich mich bloß in meiner eigenen Meinung.

Wusstest du schon beim ersten Kontakt mit der Gitarre, dass du Musiker sein wolltest?

Ich wusste es nicht, aber ich wollte Musiker werden. Es sind nun schon 30 Jahre, die ich mein Leben der Gitarre widme, es war seit meinem ersten Moment mit ihr mein Traum. Ich kann mich mit der Musik verwirklichen, und das konnte und kann ich bei keiner anderen Aktivität. Mit der Gitarre kann ich das Spielen was Ich fühle. Schon als ich klein war komponierte ich Themen. Das Komponieren gefällt mir bis heute.

Egal ob du dich traurig oder gut fühlst, die Musik erfüllt dich immer.

Flaco, man könnte sagen, dass deine Musik „reiner Flamenco“ ist. Existiert überhaupt ein „reiner Flamenco“ ?

Beim Anhören eines deiner Werke, „Barrio la candelaria“, gibt es einige Variationen an Rhythmen. Könntest du uns das erklären?

Das Thema ist sehr alt, ich habe es 1998 komponiert als ich in Bogotá aufgetreten bin. Das Hotel, in dem ich wohnte, war in einemwunderschönen Viertel gelegen, mit farbenfrohen kleinen Häusern. Das Stück Barrio la Candelaria ist ein Palo (wie wir den Flamenco voneinander unterscheiden), genauer gesagt ein kolumbianischer Palo, oder auch Palo des Kommens und Gehens. Colombianas, Milongas und Guajiras und noch viel mehr Rhythmen entstehen, als viele Musiker, zur Zeiten der Kolonialisierung, nach Amerika gehen und neue Rhythmen und Klänge für sich entdecken. Die Harmonie bei Barrio la Candelaria ist keine typische Flamencoharmonie. Es handelt sich vielmehr um lateinamerikanische Musik.

Die Texte, die gesungen werden in den Colombianas Guajiras (gesungener Flamenco), spiegelt sehr stark das Leben Lateinamerikas wieder.

In deinem Stück „El Poeta“ habe ich einen großen arabischen Einfluss rausgehört. Erzähle uns den Flamenco Hintergrund, wie und wo entsteht er? Was sind seine Einflüsse und was sind Palos?
Der Flamenco ist eine mediterrane Musik und hat viele Einflüsse. Ich bin kein Theoretiker, deshalb kann ich dir nicht sagen, wann er exakt entstanden ist, oder ähnliche detaillierte Informationen geben. Aber wie Manolo Sanlúcar, ein Gitarrist, der sein Leben lang über den Flamenco forscht, sagt: ‚Das Mittelmeer war ein starkes kommerzielles Zentrum. Und natürlich haben die Araber einen sehr starken Einfluss in Andalusien gehabt.‘

Wenn du nach Granada reist, hörst du die Tangos, die zu den ältesten Palos zählen und da hörst du den starken Einfluss vom arabischen Gesang. Die Tonalität und die Tonleitern bewegen sich auf diesem Genre. Die „Palos“ sind alte Gesänge, wie zum Beispiel die Soleá, von denen man sagt, dass sie von Zigeunern stammen. Der Flamenco ist nicht nur zigeunerisch. Der Fandango, der die Basis des Flamencos ist, ist nämlich Andalus und bewegt sich in andalusischen Kadenzen. Und das ist eine Mischung aus andalusischem Folklore, welcher von Jota aragonese stammt und noch antiker ist.
Es ist schwierig zu sagen woher er genau kommt, er kommt aus vielen verschiedenen Kulturen. Genauso wie die Zigeuner aus Indien kamen und sich in Europa verteilten, so ist der Gesang auch unterschiedlich.

Erreicht dich die Inspiration beim Komponieren im Moment oder dann, wenn du an etwas Bestimmtes denkst?

Es ist sehr schwer für mich an etwas Spezifisches zu denken, ich muss etwas Suchen … es entsteht eine Melodie ohne, dass es ein wirkliches Thema ist. Dann stelle ich mir vor wie es klingen könnte. Ich brauche lange, wirklich lange.

Ein oder zwei Tage später, höre ich mir das Ganze noch einmal an und bin dann unzufrieden und ändere noch einiges. Ich bin da sehr kritisch mit mir und manchmal fange ich dann auch wieder von vorne an. Es gibt manchmal so Momente, (die Ausnahmen) selten aber eben manchmal da klappt alles beim ersten Mal. Aber um ehrlich zu sein, es ist ein Prozess des Probierens und Experimentierens von Bruchteilen und zu sehen wie sie sich entwickeln.

Außerdem basiert der Flamenco darauf laufend kleine Bruchteile miteinander zu verbinden.

Auf einer CD habe ich ein Arrangement, jedoch verlangt beispielsweise ein Konzert eine größere Variation, weil ich Dynamik brauche. Also komponiere ich kurze Themen, die ich dann mit einander vermische und wie ich diese dann wirklich spiele, dass überlege ich mir dann live. Aber ja, es steckt viel Arbeit dahinter.

Das Gefühl des Flamencos ist …
Der Flamenco ist Freud und Leid zu gleich
Er stammt aus einfachen und ärmlichen Dörfern. Er ist deshalb auch traurig. Er spricht über alles, selbst über den Tod. Manchmal ist er schwerfällig und kummervoll. Das Leben der Zigeuner war hart und sie wurden oft mit Abneigung konfrontiert. Im Flamenco konnten sie ihrem Schmerz Ausdruck verleihen. Aber es gibt Palos, die sehr lustig und fröhlich sind. Die Musiker haben dabei großen Spaß. In einem Moment ist es ein leidvoller Gesang und im nächsten wird ein lustiger Tango gespielt.

Wie verbindest du dein Privatleben mit der Musik? Kommt es hin und wieder zu Konflikten?

Es gibt keine Konflikte. Ich habe Glück, weil meine Frau ist Flamencotänzerin. Ich mach da keinen Unterschied zwischen meinem Privatleben und der Musik, weil sie Teil von mir und meinem Leben ist. Manchmal fehlt es mir an Energie, nicht zu Letzt, weil man sich mit den Erfolgen zufriedengibt. Aber dann suche ich in mir wieder Kraft um weiterzumachen.  Hin und wieder habe ich auch Lust aufzuhören, aber dass kann ich nicht. Die Musik ist das, was ich bin.

Was steuert Flaco dem Flameco bei?

(lacht und fragt sich, was steuere ich ihm bei?) Nun ja, meine eigene Musik, meinen Ausdruck und meine Gefühle. Und dass alles mal nicht aus Spanien. Deshalb veranstalte ich auch das Flamenco Festival hier in Wien.

Es treffen sich unterschiedliche Musiker aus der Flamencoszene. Das ermöglicht wiederum, dass das Publikum den Flamenco kennenlernen können und möglichst unterschiedliches hören.

Wenn ich Jazz, oder auch mal Latino Musik spiele, ja selbst da wird man immer den Flamenco raushören – weil er meine Ausdrucksform ist.

Gerade in Österreich ist das Interesse Flamenco zu lernen groß. Kann ihn jeder erlernen?
Ich bin ein gutes Beispiel, meine Mutter hat mir keinen Flamenco in die Wiege gelegt und ich bin nicht in Andalusien geboren. Natürlich muss ein Talent vorhanden sein, das ist wahr, aber jeder kann ihn erlernen.
Die Frage ist aber doch vielmehr, wie viel von seiner Zeit man dem Flamenco widmen möchte, das ist die eigentliche Frage und das Geheimnis.“  
 
Welche Tipps hast du für all diejenigen LeserInnen, die ihn Erlernen wollen?
Das sollte man sich zweimal überlegen. (lacht) Man sollte die Vorurteile beiseite legen: „Ich kann das nicht, das ist ausschließlich was für Spanier.“
Es gibt viele Leute, die vielleicht nicht davon leben, aber sie sind sehr gut. Zuerst sollte man sich cantes anhören und den Rhythmus lernen. Der Rhythmus ist fundamental. Und sich erst dann im zweiten Schritt dem Instrument, dem Gesang oder dem Tanz widmen – eben das was einem gefällt.

Es ist schon einfacher in Spanien den Flamenco zu lernen, und man sollte auch einmal dorthin. In einigen Schulen bieten sie den Flamenco schon als eigene Klasse an. Jedes Instrument kann Flamenco spielen, wie zum Beispiel David Peña Dorantes, ein exzellenter Flamencopianist.

Es ist unwichtig, welches Instrument gespielt wird. Mit jedem Instrument kannst du Flamenco spielen.

Ausschlaggebend ist die Sprache des Flamencos. Ich kann Bass spielen und es wird dabei nicht nach Jazz klingen, sondern trotzdem nach Flamenco, einfach, weil es meine Sprache ist.
 
Flamencounterricht mit Flaco
Ich unterrichte in meiner Akademie. Das Angebot reicht von Tanz, welcher essentiell ist, über Gesang bis zur Gitarre. So kann der Flamenco richtig kennengelernt werden. Es ist sehr wichtig die Sprache zwischen dem Sänger, dem Tänzer und dem Gitarristen zu verstehen und zu wissen, wie man den Sänger zu begleiten hat. Der Flamenco wird genossen und gelebt. Wenn aber ein Gitarrist im Publikum sitzt, leidet man.

„9. Flamenco Festival Wien“
„A cuerda y Tacón“ am 12.11.2016, im Theater Akzent www.akzent.at/home/spielplan/vorschau/1110/A-cuerda-y-tacn
Weitere Informationen auf: www.flamenco-festival.com und www.flacodenerja.com

Flaco de Nerja: Ausschlaggebend ist die Sprache des Flamencos. Foto: www.byDominik.com
Flaco de Nerja: Ausschlaggebend ist die Sprache des Flamencos. Foto: www.byDominik.com
Letzte Änderung am Samstag, 29 Oktober 2016 02:16
Redaktion

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