Dr. Manfred Matzinger-Leopold listete Zahlen, Daten und Fakten auf, die für Bargeld sprechen, und erläuterte die Dynamik von Ländern, die viel Bargeld verwenden und es gleichzeitig relativ günstig einsetzen können. Er sprach auch von Ländern, die relativ wenig Bargeld haben, wie z.B. Schweden, was sich irgendwann als Nachteil erweisen könnte, da die Bevölkerung dort wächst. In Schweden ist seit der Corona-Pandemie viermal mehr Bargeld im Umlauf, obwohl es extrem wenig genutzt wird.
Der Direktor von Münze Österreich ist überzeugt, dass das Bargeld nicht verschwinden wird und es in Zukunft einen parallelen Zahlungsverkehr geben wird, teils mit sehr hohen Bargeldraten in bargeldaffinen Ländern, teils mit sehr niedrigen Bargeldraten, wie etwa in Schweden und einigen mitteleuropäischen Ländern.

Glauben Sie, dass eine bargeldlose Zukunft in Österreich denkbar ist?
Dr. Matzinger-Leopold: In Österreich zahlen weiterhin etwa 86, also in nächster Zeit ungefähr, 82 % aller Personen im täglichen Leben bar. Das sind nicht alle Zahlungen, aber das sind alle Zahlungen, die so in kleineren oder mittleren Einkäufen enden, bis hin zum Wocheneinkauf. Die werden also weitreichend bar bezahlt. Österreich ist halt auch sehr bargeldaffin und die Raten, mit denen Bargeld bei uns sinkt, sind relativ gering. Europaweit gesehen steigt Bargeld übrigens in der Verwendung. Also viele Leute denken, Bargeld sinkt in der Verwendung. Das ist nicht richtig. Es wird mehr Bargeld verwendet, weil es immer mehr Personen gibt, weil die Inflation natürlich auch größere Geldmengen erfordert und insofern die nicht baren Zahlungen steigen schneller, aber es wird auch mehr Bargeld verwendet als vor fünf Jahren.
Heutzutage zahlen viele Menschen mit Apps (Anwendungen) auf Mobiltelefonen und Karten. Und dennoch zahlen viele Menschen immer noch mit Bargeld?
Heute zahlen mehr Menschen in bar als noch vor fünf Jahren. Das liegt daran, dass wir jetzt ja auch eine vergleichsweise hohe Inflationsrate haben. Das heißt, der gesamt Warenverkehr ist in dieser Zeit so ungefähr um 18-19 % gestiegen. Der Anteil Bargeld, mit dem bezahlt wird, ist um ungefähr 7-8 % gestiegen und die unbaren Zahlungen sind mehr als zweistellig. Also sie sind zweistellig gestiegen. Das heißt, unbar wächst schneller.
Was sind die Vorteile von Bar- und Kartenzahlung? Was ist besser für die Verbraucher:innen?
Dr. Matzinger-Leopold: Der Hauptvorteil von Bargeld ist einerseits, dass es volkswirtschaftlich das günstigste Zahlungsmittel ist, weil die Transaktion selbst einfach gar nichts kostet. Sie bekommen den Schein in die Hand gedrückt und der andere bekommt die Ware. Insofern ohne Transaktionskosten das volkswirtschaftlich günstigste Zahlungsmittel.
Das zweite ist das Vertrauen der Bevölkerung, egal in welchem Land, selbst in Schweden ist es am höchsten. Also es gibt selbst schwedische Studien, die besagen, das Vertrauen der Leute im Bargeld am höchsten ist.
Es ist auch das sicherste Zahlungsmittel. Natürlich gibt es Fälschungen, aber der Prozentsatz der Fälschungen ist viel geringer als bei Kreditkartenbetrug.
Drittens, es ist das sicherste Zahlungsmittel der Welt.
Viertens, es ist bei Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, bei denen man eine Infrastruktur braucht, zu 100 % sicher, weil man Bargeld zu Hause hat und im Notfall damit bezahlen kann.
Und das Gleiche gilt für technische Attacken, denn bei Bargeld gibt es nichts, was ein Hacker angreifen kann, wie ein Bankensystem oder ein Abrechnungssystem. Das heißt wir sind gegen Technik- und Naturkatastrophen sicher.
In Schweden sagt man neuerdings sogar, dass Bargeld immer noch das beste Mittel ist, um sehr jungen Kindern den Umgang mit Geld beizubringen.
Der letzte Vorteil ist, dass Bargeld für Jung und Alt, für Menschen, die kein Bankkonto haben, wirklich inklusiv ist. Derzeit gibt es weltweit 2 Milliarden Menschen, die kein Bankkonto haben (25 % der Gesamtbevölkerung).
In Österreich haben die meisten Menschen ein Bankkonto, weil sie ihren Gehalt über dieses Konto erhalten müssen.
Dr. Matzinger-Leopold: Ja, das ist natürlich richtig. In unserem Fall sind es relativ kleine Gruppen, die kein Konto haben. In Schweden hat jeder ein Konto, in Österreich hat fast jeder ein Konto. In diesem Sinne geht die Eingliederung für mich vor allem in Richtung jüngerer Menschen, älterer Menschen und Menschen, denen die Kreditkarte weggenommen wurde, weil sie einen Schuldnerberater haben, der ihnen sagt, dass es besser ist, bar zu bezahlen.
Geld zu Hause zu haben (wenn möglich) hat Vorteile, aber das Geld verliert an Wert.
Dr. Matzinger-Leopold: Es gibt keinen Unterschied zwischen Bargeld und einem Konto. Wenn Sie 100 Euro auf Ihr Konto einzahlen und es auf Ihrem Konto bleibt, wirkt sich die Inflation auf die gleiche Weise aus.
Der Österreichische Zivilschutzverein empfiehlt beispielsweise, für den Fall eines Stromausfalls oder anderer technischer Katastrophen immer eine gewisse Menge an Bargeld zu Hause zu haben, weil der Barzahlungsverkehr sozusagen auch in solchen Fällen funktioniert. Elektronische Zahlungsmittel fallen bei Stromausfällen natürlich aus. Und wenn es ein längerer Stromausfall ist, dann haben wir eine Naturkatastrophe, bei der Bargeld im Vorteil ist. Und das macht natürlich nur Sinn, wenn man es zu Hause hat.
Die offizielle Empfehlung der Nationalbank und des Zivilschutzvereines lautet, 100 Euro pro Person in kleinen Scheinen daheim aufzubewahren.
Wie sehen Sie die Situation in zehn Jahren? Werden die Menschen dann immer noch in bar bezahlen?
Dr. Matzinger-Leopold: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Bargeld in zehn Jahren weiterhin immer noch signifikant zum Zahlungsverkehr beitragen wird. Ich glaube sogar, dass es möglich ist, dass der Bargeldumlauf in zehn Jahren weiter steigt. Realistischerweise wird es so sein, dass der elektronische Zahlungsverkehr auch steigt, aber mehr steigt das Bargeld. Ich glaube, dass weiterhin ein paralleles Rennen von verschiedenen Zahlungsformen stattfindet. Man hat ja auch elektronisch nicht nur Kreditkarten, sondern auch Debitkarten, elektronische Zahlsysteme und andere Möglichkeiten. Ich glaube, alle Märkte haben eine gewisse Berechtigung für verschiedene Zwecke. Und ich glaube einfach dadurch, dass die Geldmenge so stark steigt, ist es möglich, dass weiterhin alle Zahlungsmittel Wachstumsraten haben.
Was halten Sie von den berühmten „Wiener Philharmoniker”, die mehr Geld bringen, als für sie bezahlt wurde?
Dr. Matzinger-Leopold: Die Goldmünzen haben über Jahre hinweg eine sehr, sehr hohe Wertstabilität, wenn man sie vergleicht. Selbst zu römischen Zeiten haben zwei Tuniken ungefähr eine Unze Gold gekostet und heutzutage kosten zwei Tuniken - im Sinne von zwei sehr guten Anzügen - ebenfalls eine Unze Gold. Von der Wertstabilität her ist Gold wirklich über diese lange Phase schon ein einzigartiges Produkt. Und ja, es stimmt, dass Anlageexperten empfehlen, Beimischungen von 20-25 % des freien Vermögens in Gold anzulegen. Es hat eine hohe Wertstabilität und natürlich ist der Kauf und Verkauf vom jeweiligen Goldpreis abhängig.
Das Publikum auf dem Schwedischen Managementforum. Foto: swecham.at
Über Dr. Matzinger-Leopold
DI Dr. Manfred Matzinger-Leopold ist seit September 2012 technischer Vorstandsdirektor der Münze Österreich AG. In seinen Verantwortungsbereich fallen alle technischen Abteilungen, Forschung & Entwicklung, Graveurie (Design), Qualitätsmanagement, der B2B-Vertrieb, Materialwirtschaft, Labor und Sicherheit.
Matzinger-Leopold, geboren 1970, studierte in Wien technische Physik und widmete sich während seines Studiums besonders den Bereichen Metallurgie und Produktionsoptimierung. Bei der Firma Frequentis AG, einem Hightech-Unternehmen, war er nach seinem Universitätsabschluss für Projektmanagement im internationalen Umfeld verantwortlich.
Die nächste berufliche Station führte den Vater dreier Kinder zur Vamed, einem auf Gesundheitsprojekte spezialisierten Unternehmen, wo er gemeinsam mit 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern klare Maßnahmen zu Effizienz- und Effektivitätssteigerungen setzte. Zuletzt war Manfred Matzinger-Leopold als Prokurist und gewerberechtlicher Geschäftsführer der Ascom Austria GmbH tätig.
Herr Matzinger-Leopold ist auch Vertreter der Republik Österreich im “Euro Coin Sub-Committee“ der Europäischen Kommission und auch Vorsitzender bei einigen weiteren internationalen Münzverbänden.
Events des Swedish Management Forums
Die Schwedische Handelskammer in Österreich organisiert regelmäßig das Schwedische Management Forum (SMF), bei dem Vorträge von nationalen Spitzenkräften zu aktuellen Themen gehalten werden. Eine Gelegenheit zum Informations- und Erfahrungsaustausch sowie zur beruflichen Vernetzung mit dem schwedisch-österreichischen Markt.
Bei der Veranstaltung bedankte sich Paul Turac, Organisator der Veranstaltung und Präsident der Kammer, bei den Gästen und Freunden der schwedisch-österreichischen Gemeinschaft für die herzliche Teilnahme im Schwedenhaus Wien. Zum Abschluss des Tages genossen die Gäste das übliche Buffet und leckere Getränke.
www.swecham.at
Fotos: ww.swecham.at/smf-am-14-3-2023-mit-manfred-matzinger-leopold