Die Veranstaltung brachte Journalist:innen, Reporter:innen und Fotograf:innen verschiedener Nationalitäten, die in Österreich tätig sind, zusammen, um gemeinsam über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die Medienlandschaft zu reflektieren und das Engagement für die Pressefreiheit im 21. Jahrhundert zu bekräftigen.
Auftakt: Ein Aufruf zum Handeln
Der Präsident von UNCAV, DI Sharief Abdalla, eröffnete die Veranstaltung mit einem Rückblick auf die historische und aktuelle Bedeutung einer freien Presse als Instrument für Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Er dankte den Referent:innen für ihre Beiträge und betonte die Wichtigkeit ihres Engagements in einer Zeit, in der der Journalismus vor neuen Herausforderungen steht.
Der Generalsekretär von UNCAV, Hermann Kroiher, hob hervor, dass die Pressefreiheit zunehmend durch Medienkonzentration, Desinformation und den Rückgang objektiven Journalismus bedroht wird. Entwicklungen, die die Rolle der Medien als demokratisches Korrektiv schwächen. Er wies darauf hin, dass populistische Diskurse und kommerzielle Zwänge die kontrollierende Funktion der Presse untergraben und somit die Gesundheit moderner Demokratien gefährden.
„Die Pressefreiheit ist eines der wichtigsten Rechte der Demokratie. Sie ist verfassungsrechtlich geschützt und im Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert.“











António Guterres: Die Wahrheit in der digitalen Ära schützen
Sonja Wintersberger, stellvertretende Direktorin des United Nations Information Service (UNIS) in Wien, übermittelte die offizielle Botschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres, anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit.
Guterres betonte mit Nachdruck, dass Pressefreiheit kein Privileg, sondern ein grundlegender Pfeiler jeder demokratischen Gesellschaft ist: „In einer Welt, die von Spaltung und Konflikten geprägt ist, hängt die Freiheit der Menschen von der Freiheit der Presse ab. Doch heute sehen sich Journalist:innen beispiellosen Bedrohungen gegenüber: Angriffe, Zensur, Inhaftierungen und sogar der Tod, nur weil sie ihre Arbeit tun.“
Er warnte vor dem zunehmenden Einsatz von Technologie, um den Zugang zu Informationen zu beschränken und den öffentlichen Diskurs zu manipulieren: „Künstliche Intelligenz kann die Meinungsfreiheit stärken, aber sie kann auch zu einem Werkzeug der Zensur und Desinformation werden, wenn sie nicht verantwortungsvoll reguliert wird.“
Abschließend rief er zu kollektivem Handeln auf: „Präzise und überprüfbare Informationen sind unsere beste Verteidigung gegen Manipulation und Hass. Neue Technologien müssen im Dienst der Fakten, der Menschenrechte und der Demokratie stehen.“
Digitaler Neofeudalismus und der stille Kollaps des Journalismus
Der Psychologe, Journalist und Kulturmanager Dr. Alexander Alexandrov präsentierte einen kritischen Vortrag zum Konzept des „digitalen Neofeudalismus“ und analysierte, wie die Informationsmacht erneut in den Händen weniger globaler Technologiekonzerne konzentriert wird.
Er erläuterte, dass Plattformen wie Google, Meta (Facebook, Instagram), Amazon und X (ehemals Twitter) den Informationsfluss durch Algorithmen kontrolliere, automatische Systeme, die Inhalte basierend auf Nutzerdaten auswählen, deren Funktionsweise jedoch weder öffentlich noch transparent ist. Diese Technologien priorisieren Inhalte, die Klicks, Emotionen oder Kontroversen erzeugen, und verdrängen damit investigativen Journalismus, wodurch dessen Rolle als demokratisches Gegengewicht geschwächt wird.
Zudem wies er darauf hin, dass diese Plattformen aus dem individuellen Verhalten lernen und die Überzeugungen der Nutzer:innen verstärken, indem sie ähnliche Inhalte wie zuvor konsumierte anzeigen. Dadurch entsteht eine Informationsblase, die die Vielfalt der Perspektiven reduziert und die Bürger:innen in einem schwer zu durchbrechenden Bestätigungskreislauf gefangen hält.
Alexandrov warnte auch davor, dass hinter jeder digitalen Suche oder Interaktion ein ständiges Überwachungsnetzwerk operiert, das persönliche Daten sammelt und analysiert. Diese umfassende Datenerfassung stärkt nicht die Nutzer:innen, sondern schränkt ihre kritische Autonomie ein und verstärkt ihre Informationsabhängigkeit.
„Was wir heute beobachten, ist eine neue Form der sozialen Schichtung, vergleichbar mit dem Feudalismus, aber im digitalen Bereich: Die wirtschaftliche, politische und kommunikative Macht ist in Plattformen konzentriert, die entscheiden, was wir sehen und was wir ignorieren.“
In seinem Fazit appellierte Alexandrov an die Notwendigkeit, die Macht großer Technologiekonzerne zu regulieren, nachhaltige Modelle für unabhängigen Journalismus zu unterstützen und die Medienkompetenz der Bürger:innen zu stärken: „Die Demokratie kann nicht auf einem Informationssystem bestehen, das von privaten Interessen kontrolliert wird. Wir müssen das Recht auf freie, vielfältige und verantwortungsvolle Information einfordern, bevor es zu spät ist.“
John Herzog: Eine visuelle Botschaft über das Wesentliche
Der Journalist John Herzog vom Österreichischen Journalisten-Club hielt einen symbolischen Vortrag. Er stellte Gläser mit Wasser auf den Tisch und erklärte, dass jedes Glas etwas Lebenswichtiges repräsentiert: Frieden, Kinder, Kunst, Kultur, Länder und Pressefreiheit.
Er verglich die Welt mit Glas, zerbrechlich, aber transparent, und betonte, dass Wasser, als Symbol dieser Werte, geteilt und nicht zurückgehalten werden sollte.
„Spread it out“ - Verbreitet es!, forderte er eindringlich, während er etwas Wasser auf den Tisch goss. Seine Botschaft: Diese Werte haben nur dann Bedeutung, wenn wir sie weitergeben, miteinander teilen und gemeinsam verteidigen. „So sind wir die Vereinten Nationen“, schloss Herzog.
Junge Stimmen erheben sich
Die junge Vertreterin von ENFID Austria, Sarah Jozelle Rojas, sprach über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz aus der Perspektive der Generation Z, die in einer vollständig digitalen Umgebung aufgewachsen ist. Sie betonte, dass sie zwar mit Algorithmen aufgewachsen sind, aber auch lernen, diese zu hinterfragen und Transparenz zu fordern: „Künstliche Intelligenz sollte nicht die Wahrheit ersetzen, sondern ihr dienen. Und wenn wir sie nicht regulieren, wird sie uns regulieren.“
Rojas hob hervor, dass KI bereits Teil des Alltags ist, von sozialen Medien-Feeds bis hin zu automatisierten Zahlungen und Deepfakes, und dass es daher wichtig sei, ihre Funktionsweise zu verstehen und nicht zuzulassen, dass sie uns unreguliert aufgezwungen werde.
Alessandra Inge Zhurkov, Studentin und Mitglied von Amnesty International, konzentrierte sich in ihrem Beitrag auf die geringe Repräsentation von Frauen in den Medien. Sie zeigte Beispiele dafür, wie viele Berichterstattungen Geschlechterstereotype perpetuieren und dadurch sowohl die öffentliche Wahrnehmung als auch die Partizipationsmöglichkeiten von Frauen einschränken: „Wenn Frauen nicht in der öffentlichen Erzählung vorkommen, wird nicht nur ihre Sichtbarkeit eingeschränkt, sondern auch die vermittelte Weltsicht. Pressefreiheit ohne Vielfalt ist unvollständig.“
Beide waren sich einig, dass Pressefreiheit keine ausschließliche Angelegenheit des journalistischen Berufsstands ist, sondern eine kollektive, generationenübergreifende Verantwortung, die tief mit den Menschenrechten verbunden ist.
Eine Schweigeminute für die Wahrheit
Einer der bewegendsten Momente der Veranstaltung war die Schweigeminute zum Gedenken an Journalist:innen, die im Einsatz für die Wahrheit und die Informationsfreiheit ihr Leben verloren haben.
Die Anwesenden erhoben sich in einem gemeinsamen Akt des Respekts und der Anerkennung für diejenigen, die ihr Leben riskierten, um das zu berichten, was andere zu verbergen versuchten.
Ausblick
Die Moderatorin Maria Zelda Rojas beendete ihre Ausführungen mit einem Appell, den neuen Generationen Raum in Kommunikations- und Entscheidungsprozessen zu geben. Sie betonte, dass die Jugend nicht nur bereit, sondern bereits engagiert und aktiv ist, insbesondere in Fragen der Pressefreiheit und der Auswirkungen von Technologie: „Die Jugend ist nicht die Zukunft: Sie ist bereits hier. Wenn wir eine lebendige, vielfältige und transformative Presse wollen, müssen wir ihnen jetzt Raum geben, nicht später.“
Kunst als universelle Botschaft
Die japanische Sopranistin Ruriko Nakano bot eine wunderschöne musikalische Darbietung, die unterstrich, dass Kunst ebenfalls eine Form des Widerstands, des Ausdrucks und der Freiheit ist.
Würdigung für journalistisches Engagement
Der Journalist Muhammad Amir Siddique überreichte symbolische Geschenke an den Vorstand von UNCAV, an ENFID Austria sowie an weitere Teilnehmende, als Zeichen der Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz für Ethik, Wahrheit und verantwortungsvollen Journalismus.
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UNCAV
United Nations Correspondents Association Vienna
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