Seine Bilder wurden von wichtigen öffentlichen Sammlungen wie dem Museo Nacional de Bellas Artes und dem International Center of Photography (ICP) in New York erworben.
Cañibano hat mehrere internationale Preise gewonnen, unter anderem den dritten Preis bei Lazos en el mar (Holland), den Premio Asisa, Málaga (Spanien) und den Gran Premio de Fotografía de Cuba.
2021 hat der Verlag Edition Lammerhuber ABSOLUT CUBA herausgebracht, Raúl Cañibanos Liebeserklärung an sein Heimatland, eine Auswahl seiner fotografischen Arbeiten aus fast drei Jahrzehnten. Mit Texten des kubanischen Autors Leonardo Padura Fuentes, Träger des kubanischen Nationalen Literaturpreises und des spanischen Preises der Prinzessin von Asturien in der Kategorie Literatur.
ABSOLUT CUBA enthält den überraschenden, liebevollen und unglaublich präzisen Blick des Fotografen. Bilder, die das alltägliche Leben der KubanerInnen und das Land zeigen, aber auf eine andere Art und Weise, mit eindrucksvollen - manchmal lustigen - Botschaften, sowie tiefen Emotionen, von Liebe, Traurigkeit, Schmerz, Unschuld, Mitleid und Freude.
Mit diesem Buch zeigt uns Cañibano, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, die Dinge zu betrachten.
Was können Sie uns über Ihre Herkunft, Ihre Familie und Ihre Kindheit in Ihrer Heimatstadt Havanna erzählen?
Ich wurde 1961 in Havanna geboren und bin das jüngste von drei Geschwistern. Als ich ein Kind war, zogen wir mit der Familie meiner Mutter um, zunächst in die Provinz Cienfuegos im Zentrum des Landes und dann in die Stadt Manatí im Osten Kubas, in der Provinz Las Tunas. Als ich 10 Jahre alt war, kehrte ich nach Havanna zurück.
Ihr kürzlich veröffentlichtes Buch Absolut Cuba ist eine Liebeserklärung an Ihr Land. Wie haben Sie es umgesetzt?
Dieses Buch ist eine Auswahl von vier fotografischen Essays, die ich in den letzten 30 Jahren in meinem Land gemacht habe. Ich arbeite an mehreren Themen gleichzeitig, habe es nicht eilig und reife in der Arbeit selbst. Es ist ein sehr persönlicher Blick auf mein Heimatland, der meine Erfahrungen und Gefühle wiederspiegelt.
Sie sind ein Fotograf im wahrsten Sinne des Wortes und Autodidakt. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Ich fühlte mich schon früh zu Kameras hingezogen, obwohl ich erst mit Anfang zwanzig eine in der Hand hatte. In einem Urlaub lernte ich jemanden kennen, der sich für die Fotografie begeisterte und mir zeigte, wie man im Labor arbeitet. Das war der Moment, in dem ich entdeckte, dass ich fotografieren wollte, wobei ich bei einer Ausstellung des verstorbenen kubanischen Fotografen Alfredo Sarabia wusste, dass Dokumentarfotografie der Weg war, den ich einschlagen wollte.

Glauben Sie, dass die Fotografie Sie ausgewählt hat?
Ich glaube, es war ein Zufall. Ich hatte keine Berufung und war auch nicht auf der Suche nach ihr, aber ich habe sie gefunden.
The Decisive Moment (1952) des berühmten französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson war ein Bezugspunkt für viele Fotografen wie William Eggleston und wurde von Robert Capa als "die Bibel der Fotografen" bezeichnet. Ihr Werk hat einen gewissen Bressonischen Einschlag. War er ein wichtiger Bezugspunkt für Sie?
Natürlich war es das. Ich glaube, das gilt für alle Fotografen. Ich fühle mich aber auch sehr von der Malerei beeinflusst.
Wenn Sie von Malerei sprechen, auf welche Bildkunst beziehen Sie sich dann? Welche Maler haben Sie inspiriert?
Der Impressionismus und der Surrealismus erregen meine Aufmerksamkeit am meisten, aber im Allgemeinen mag ich sie alle. Ich liebe Maler wie Dalí, Monet, Gustav Klimt, aber es gibt auch einige andere, deren Werke mir gefallen.
Malen Sie auch?
Nein, das tue ich nicht.

Zurück zur Fotografie: Ein Landsmann von Ihnen hat mir einmal erzählt, dass die begehrtesten Kameras die russischen Zenit-Kameras waren, die umgangssprachlich „russische Panzer“ genannt wurden, weil sie unzerstörbar waren. Mit welcher Kamera und welchem Film haben Sie angefangen und was benutzen Sie heute?
Angefangen habe ich mit einer Zenit mit 58er-Objektiv und Orwo 35-mm-Film. Ich habe schon viele Kameramarken ausprobiert und alle waren gebraucht weil, es in Kuba sehr schwierig ist, sie zu erwerben. Ich habe sie früher auf dem Schwarzmarkt gekauft und sie haben sich durch viel Gebrauch abgenutzt. Ich mag das 28er-Objektiv und ich habe es bei fast allen meinen Arbeiten am häufigsten verwendet. Im Moment habe ich Canon und Leica Objektive, die mir Freunde geschenkt haben.
Haben Sie schöne Erinnerungen an Ihre Anfänge im Bereich der Porträtfotografie und im Labor?
Ich erinnere mich an das besondere Gefühl, das ich empfand, als ich meinen ersten Film entwickelte. Der Geruch der Chemikalie und das entstehende Foto waren ein unbeschreibliches Gefühl.
Da ich viele Jahre lang analog gearbeitet habe und es in Kuba so schwierig war, Filmrollen zu erwerben und zu entwickeln, habe ich mir angewöhnt, keine Zeit zu verschwenden und mein Auge zu schulen, so dass ich oft schon ohne Entwicklung wusste, wann ich ein gutes Bild erzielt hatte.
Wie sieht der Alltag von Raúl Cañibano aus, was inspiriert Sie und was gefällt Ihnen an Ihrem Umfeld?
Ich bin ein schüchterner und nervöser Mensch. Es ist schwer für mich still zu sitzen. Ich fotografiere leidenschaftlich gern und denke ständig darüber nach. Ich liebe es, durch mein Land zu reisen und in jedes Dorf zu gehen, um Fotos zu machen. Das Einfangen von Sitten und Gebräuchen, die mit der Zeit verloren gehen können, oder das Aufzeigen der Realität, in der wir leben, inspiriert mich immer wieder.
Welche Dinge fallen Ihnen im Alltag auf, wenn Sie fotografieren?
Ich möchte, dass die Szene mir eine Geschichte erzählt. Ich suche immer nach mehreren Aufnahmen und einer psychologischen Atmosphäre. Wenn ich ein Element sehe, was auch immer es ist, das meine Aufmerksamkeit erregt, warte ich darauf, dass etwas in seiner Umgebung passiert. Manchmal denke ich nicht einmal nach, ich schieße einfach.

Was halten Sie von der Digitalfotografie und der Tatsache, dass sich junge Leute nun auch der analogen Fotografie zuwenden? Halten Sie das für eine vorübergehende Modeerscheinung oder für ein kleines Wiederaufleben?
Für mich sind beide Arten der Fotografie wichtig. Der Unterschied besteht darin, dass man bei der digitalen Fotografie das Bild in dem Moment sieht, in dem es entsteht. Ich glaube, dass es ein kleines Wiederaufleben der analogen Fotografie gibt und das ist gut so, denn es zwingt einen dazu, bei der Aufnahme des Fotos selektiver vorzugehen, was ihm einen Mehrwert verleiht. Deshalb sind die Galerien auch mehr daran interessiert.
Es wird oft erwähnt, dass Sie bei der Bearbeitung und Auswahl Ihrer Arbeiten von analog zu digital kaum Photoshop verwenden. Kann man heutzutage als Fotograf eigentlich ohne Photoshop arbeiten?
Sie können, aber es ist eine Hilfe. In meinem Fall zum Beispiel: Ich scanne meine Negative ein und lasse sie durch Photoshop laufen, um ihnen die nötigen Stufen zu geben und eventuelle Flecken auf dem Negativ oder Unreinheiten im Wasser zu retuschieren. Ich übertreibe es nicht, ich verwende es minimal. Ich mag es nicht, die Ebenen zu kontrastieren oder das Bild zu sehr zu verändern. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich im Labor an meinen Fotos arbeitete.
Machen Sie noch Abzüge von Ihren Negativen?
Ja, ich arbeite mit The Photographers' Gallery in London zusammen und verkaufe dort eine Silberedition auf Gelatine. Ich drucke auch digital.

Ihre Arbeiten wurden gesammelt und in wichtigen Galerien auf der ganzen Welt ausgestellt. Sie wurden in das renommierte Buch "Cuba: 100 years of Cuban photography" aufgenommen. 2015 hatten Sie eine Retrospektive in der Galerie NegPos in Nimes, Frankreich. Wie sieht Ihre Zukunft in Bezug auf Veröffentlichungen und Ausstellungen aus? Woran arbeiten Sie gerade?
Ich habe mehrere Projekte in Angriff genommen, aber wegen Covid 19 wurden sie aufgeschoben. Ich möchte arbeiten und hoffe, dass die Pandemie es mir ermöglicht, dies zu tun. Ich werde auf der Biennale von Havanna ausstellen, die im Dezember stattfindet. Für das nächste Jahr habe ich mehrere Ausstellungen in Cincinnati und Frankreich geplant, auch Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften wie Black & White in London.
Konnten Sie die anderen Fotografen in diesem Buch kennenlernen?
Ich weiß nicht mehr, welche Fotografen in dem Buch vorkommen, aber ich kenne viele von ihnen. In Kuba kennen wir uns in der Fotografengilde, weil wir uns um ein Zentrum gruppieren, das 1986 gegründet wurde, die Fototeca de Cuba. Einige sind ausgewandert, andere sind verstorben, aber ihr Werk bleibt in der Gruft dieser Institution bestehen.
Die Fotografie kann zum Teil ein lebendiges Zeugnis des Lebens und seiner Bedeutungen sein. Welchen Rat würden Sie allen jungen Menschen geben, die sich entschließen, eine Kamera in die Hand zu nehmen und sich ernsthaft damit beschäftigen wollen?
Auf ihrem Wunsch zu beharren. Die Arbeit etablierter Fotografen aus der ganzen Welt zu studieren und auch viele Gemälde zu betrachten. All dies wird sie beeinflussen, bis sie ihren eigenen Stil gefunden haben. Die Fotografie erfordert Hingabe und viel Zeit. Sie sollten bei der Präsentation ihrer Arbeiten selektiv vorgehen. Es spielt keine Rolle, ob Sie an einem Thema arbeiten, das bereits von einem anderen Fotografen verwendet wurde, es wird immer eine andere Vision sein. Die Kamera ist das Instrument, aber der Fotograf fängt sozusagen dann das Bild ein.
Haben Sie derzeit Ausstellungen in Europa?
Ich habe eine Ausstellung namens Esencia, die im Museum Tomás y Valiente in Madrid eröffnet wurde. Ich reise damit immer wieder an verschiedene Orte und im Moment befindet sie sich in Barcelona.♠