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Samstag, 11 Januar 2014 09:07

Tina Leisch rekonstruiert filmisch das Leben des Poeten und Revolutionärs Roque Dalton

Von

Josep Pérez. Die Wiener Cieneastin Tina Leisch wird am kommenden 17. 1. ihren neuen Film „Roque Dalton, ¡fusilemos la noche!“vorstellen. Der erzählt die Geschichte des bekannten Intellektuellen und Revolutionärs aus Salvador, Roque Dalton. Er wurde 1975 von der gleichen Guerrilla, der er angehörte, hingerichtet. Das unter nicht geklärten Umständen. Vor ein paar Tagen  gab es eine Pressekonferenz  im Filmhauskino am Spittelberg; unter Anwesenheit der Regisseurin (der Film konnte bislang nur im Rahmen einiger internationaler Filmfestivals gesehen werden).

Der Dokumentarfilm belebt ein seit Jahrzehnten in Vergessenheit geratenes Kinogenre – das Politische. Und er konzentriert sich auf die Befreiungsaktionen, die Lateinamerika in den 60er und 70er Jahren durchgerüttelt haben, als sich die Diktaturen in vielen Ländern des Kontinents behaupteten. Das Entscheidende in diesem Fall ist, dass es dieses Mal eine europäische Cineastin ist, die sich um die Wiederbelebung dieser Historie bemüht. Und sie verzichtet dabei auf die Phantome des „Alten Kontinents“ und blickt mit Schwerpunkt auf die andere Seite des Atlantiks.

Formal betrachtet, weicht der Film von Leisch irgendwelchem befreienden, romantischen Typ von Kino aus (und es wäre relativ einfach, da hineinzufallen) und zeichnet eine seriöse und rigorose Biografie auf; indem er das Leben von Roque Dalton mit einer Collage aus Interviews mit Verwandten, Freunden, gleichgesinnten Intellektuellen, Waffenbrüdern und inklusive seiner „Henker“ rekonstruiert. Der Film ist voller guter Ideen, wie z.B. Menschen von der Straße, die Poesie von Dalton rezitieren zu lassen und so sein Werk in der Arbeiterklasse wieder aufleben zu lassen; die Präsenz von einigen sympathischen Schwarz – Weiß Plakaten, die die Figur Dalton's widerspiegeln, dort wo  die Kamera schon Verschwundenes wieder zum Leben erweckt; das Vermeiden von „voice over“, um jedwede Passage der Handlung zu erklären; oder der gleichgewichtige Stil des Films, zwischen einer erzählenden Frische und der Seriosität, die diese Motive verlangen. Um eines nicht zu vergessen, Leisch bringt Zeugen des hingerichteten Roque Dalton vor die Kamera, die zum ersten Mal ihr Vergehen bereuen; eine Tatsache, die bislang unveröffentlicht war und die nur dank dieser unabhängigen, ehrgeizigen Produktion (vier Jahre voller Recherche, Dreharbeiten und Ausarbeitung) ans Tageslicht gelangt ist. Ein eigenes Kapitel behandelt die Poesie von Dalton, das in 85 Minuten Bilder vom Band zeigen. Sei es von Feldarbeitern oder Universitätsprofessoren, gesungen von Rappern oder Folkloresängern. Und dies zeigt das alles so schön, kräftig und zeitlich gültig wie am ersten Tag.

Jorge Dalton en "Fusilemos la noche"-Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?
-Ich lebte in den 80ern in El Salvador, ich arbeitete für das Movimiento Popular und da lernte ich das Werk von Roque Dalton kennen. Sein „ Poemas clandestinos“ wurde häufig in den Erlässen und Manifestationen des Movimientos Popular verwendet. Damals erweckte das ein wenig mein Interesse, aber man muss schon sagen, dass in den 80er Jahren nicht wirklich viel über den Tod von Dalton geredet wurde. Und dieser Umstand hat mich neugierig gemacht. Und so las ich, was ich von seinen Werken finden konnte und ich begann sein Leben recherchieren. Mit der Absicht, Propaganda für ihn und seine Texte zu machen, weil ich finde, dass seine Literatur noch immer nicht die Anerkennung hat, die sie verdient.

-Seit den 80ern bis heute, 2014, ist viel Zeit vergangen. Warum das lange Warten auf die Fertigstellung des Films?
-Im Jahr 2009 gab es einen Moment, wo ich informiert worden bin, dass in El Salvador zum ersten Mal nach den Friedensübereinkommen des Jahres 1993, die Wahlen von der FMLN (Frente Farabundo Martí para la  Liberación Nacional) gewonnen wurden, und so entschied ich mich, nach 20 Jahren wieder in das Land zurückzukehren und einen Film über Roque Dalton zu drehen. Mit der Zeit hab ich festgestellt, dass das kein Zufall war. Es wäre schwieriger gewesen, den Film zu machen, ohne dass die FMLN in der Regierung gewesen wären. Man muss auch daran denken, dass die Figur Dalton eine Eigenheit besitzt. Er wurde von den eigenen Linken umgebracht. Es gibt keinen Zweifel daran, dass – wenn er von den Rechten getötet worden wäre – er zum großen Held der Revolution geworden wäre. Wenn man über den Tod von Dalton durch die Linken spricht, ist das wie ein ideologisches – sich – verschließen vor der eigenen Bewegung und daher wird es immer totgeschwiegen.

-War es leicht, die ganzen Menschen, die im Film vorkommen, zu interviewen?
-Meine erste Reise nach El Salvador im Jahr 2009 machte ich, um die Freunde und die Familie von Roque Dalton kennen zu lernen und da haben mich praktisch alle mit offenen Armen empfangen. Sie sprachen von einem lustigen Typen, charismatisch und mit einem relativ respektlosen Humor. Das einzig schwierige Kapitel (was die Recherche anlangt) war sein Tod. Ich versuchte mit denen zu sprechen, von denen man sagt, sie wären die Verantwortlichen und sie haben mir nicht zugehört.

Laura en "Fusilemos la noche"Auf der anderen Seite traf ich eine Gruppe von Menschen, die mit eigenen Augen die ideologische Diskussion während seiner Gefangenschaft verfolgt haben, die zum Tod von Dalton geführt hatte, obwohl die auch nicht anwesend waren, während der letzten 10 Tage des Lebens des Poeten. Dass waren genau diejenigen, die Roque sagten, “Kommen Sie mit uns! Die werden Sie umbringen!“, aber auf die hörte er nicht, da er schon mehr Vertrauen in die Gruppierung hatte. Ich wusste, dass, wenn ich wirklich wissen wollte, was in den letzten 10 Tagen geschehen war, musste ich bis zu den drei jugendlichen Guerilleros vordringen, die ihn in dem Haus, wo er gefangen gehalten wurde, bewachten, aber es war schwierig, sie ausfindig zu machen. Alle haben mir geraten, diese Fragen nicht zu stellen und sie haben mir auch gesagt, dass es gefährlich sein könnte. Das sind die Personen, die am Ende des Films erscheinen und mit ihnen konnte ich reden, da sie auch über das Benehmen der Kommandanten verärgert waren. Jetzt sind seit dem Attentat 38 Jahre vergangen und ich denke, es ist an der Zeit, darüber zu reden, weil es keinen Grund mehr gibt, irgendetwas zu verheimlichen. Es ist nur so, dass die involvierten Persönlichkeiten meist Politiker sind, heutzutage mehr rechts als links und so bevorzugen sie es, das Thema zu meiden.

-Was war die offizielle Version des Todes von Roque Dalton?
-Die erste Reaktion der ERP war, dass sie sagten, er wäre ein Spion gewesen und deshalb hätte man ihn umgebracht; erst sagte man, er wäre ein kubanischer Spion gewesen, dann einer der CIA. Monate später gaben einige Chefs der Gruppe zu, einen großen Fehler gemacht zu haben. Sie hatten davor die Organisation mit all dem Geld aus Entführungen zurückgelassen.  Und im selben Jahr 1975 wurde aus der Casa de Americas in Cuba verlautbart, dass er niemals ein Spion gewesen war und dass ein Verbrechen war, ihn zu töten. Nun, um heraus zu finden, wer der wirkliche Drahtzieher seines Todes war, musste man bis in s Jahr 93 warten, als Villalobos (maximo dirigente der ERP) zugab, dass es ein Fehler „der Jugend der Organisation“ war. Jedoch wurde die Familie niemals um Vergebung gebeten.

Gonzalo en "Fusilemos la noche"-Warum denken Sie, dass Roque Dalton so unangenehm war; das auch innerhalb seiner eigenen Partei?
-Weil er ein ehrlicher Intellektueller war, ohne Angst zu reden. Und als er etwas sah, das nicht richtig war, dann sagte er es. Und in der Zeit waren die Bewegungen der Linken sehr rigoros, einige mit einer Disziplin á la einer extrem stalinistischen Partei. Die Mehrheit der Mitglieder der Gruppierung hatte wenig Bildung genossen, waren mehr Abenteurer mit einer Waffe in der Hand als wirkliche marxistische Revolutionäre. Die Idee der ERP in diesen Zeiten war, sich zu einem Heer zu formieren und den rechtsgerichteten Staat zu putschen.

Dagegen war der Plan von Roque Dalton anders, schon seit seiner Jugend war er Marxist und hat an intellektuellen Diskussionen im marxistischen Kuba der 70er teilgenommen, er war ein Denker mit profunden, politischen und wirtschaftlichen Kenntnissen der salvadorianischen Gesellschaft und er hat die zwei komplettesten Bücher seiner Zeit über dieses Thema geschrieben. Ich sage das,  um klar herauszustreichen, dass er kein Abenteurer war. Er wollte eine politische Partei gründen und eine Front des Volkes von unten beginnend mit den Campesinos und Arbeitern. Und das war politische Schock, den es innerhalb der Organisation gab, zu dem man dann auch noch eine Geschichte an Eifersüchteleien der jüngsten Mitglieder gegenüber ihm und verschiedenen Politiken. Alle anerkannten, dass Roque Dalton ohne Zweifel der Chef der Organisation war.

-Denken Sie, dass eine Geschichte, die so weit von der lateinamerikanischen Realität und einigen politischen Bewegungen, die fast verschwunden sind, heute noch Interesse erwecken kann?
-Sicher ist, dass ein Teil der Poesie von Roque Dalton sehr vergänglich ist. Der ganze Part der bewaffneten Kämpfe hat seine Kraft verloren, da wir heutzutage nicht mehr mit der Waffe um die Schulter umher gehen (lacht). Jedoch ist der Großteil seiner Poesie und seiner Geschichten auch heute noch geltend und man sollte das lesen.

Auf der anderen Seite provoziere ich im Film mit Fragen wie; „In was für einer Beziehung sehen wir die Intellektuellen, die uns an den Veränderungen der Welt teilhaben lassen, mit den Bewegungen, die dies erreichen wollen? Ist es genug, ein Gedicht zu schreiben, das man in den Schützengräben lesen kann? Muss man nur Filme, die von der Revolution handeln drehen oder muss man die Revolution nicht selber verwirklichen? Ich glaube, Roque Dalton hat eine sehr genaue Vorstellung der Revolution, ihrer Verwirklichung und er sagt. „“hay que hacer la revolución; hay que ir allí y organizar a la gente (man muss die Revolution machen, man muss dorthin gehen und die Menschen organisieren)“.

Auch wenn viele seiner Altersgenossen nie wirklich begriffen haben, dass er an der Front war, und glaubten, dass das jeder könnte und dass er in Kuba war und einfach nur schrieb, was etwas war, was nur wenige so konnten, wie er. Roque war ein echter Intellektueller, er konnte nicht über Sachen sprechen, von denen er keine Ahnung hatte und daher begab er sich an die Front. Eine weitere interessante Idee für mich ist, dass Roque diesen Typ personifiziert, der innerhalb des eigenen Reigens die Kraft hat, sich mit kritischen Gedanken durchzusetzen. Mir ist das persönlich auch in verschiedenen Bewegungen passiert; aktuell auch in jenen, in denen ich aktiv bin. Am Ende ist es so: je radikaler eine Bewegung ist, desto verschlossener wird sie.

Afiche alusivo a la película sobre el salvadoreño Roque Dalton.-War es schwierig, den Film zu finanzieren?
-Es war nicht leicht, das Geld aufzutreiben. Das ist ein Film mit wenig Budget und viel persönlichem Einsatz. Aber das Schwierigste war die Edition; wir hatten schon mehr als 100 Stunden auf Band, von denen eine erste Version von 5 Stunden herausschaute, dabei viel über sein Werk geredet wurde oder von politischen Konflikten aus der Zone und daher war es sehr kompliziert, all diese Eindrücke in 85 Minuten unterzubringen und ein klares und direktes Bild dieser Persönlichkeit zu erschaffen.

-Welches sind Ihre kommenden Projekte?
-Ich bin dabei, zwei Filme über das Thema der Befreiung von Kurdistan zu drehen. Da rede ich von KurdInnen, die nach Europa kamen; und einen anderen über die Männlichkeit in Wien; über Jugendliche in Wien; die Frage ist: welcher Typ – Mann willst Du sein?“

Mehr Information:

http://www.roquedalton.at/

Letzte Änderung am Donnerstag, 23 Januar 2014 18:54
Redaktion

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