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Dienstag, 06 Februar 2024 19:31

Interview mit María Jolanta Materna Gorna zum 15. Jahrestag des Plurinationalen Staates Bolivien: Widerstandsfähigkeit, Vielfalt und nachhaltige Entwicklung

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Chargé d'Affaires der Botschaft des Plurinationalen Staates Bolivien in Wien, Journalistin, Frau María Jolanta Materna Gorna. Foto: CulturaLatina

Anlässlich des 15. Jahrestages des Plurinationalen Staates Bolivien konnten wir ein exklusives Interview mit der Geschäftsträgerin, der Journalistin María Jolanta Materna Gorna führen. Dieses Gespräch geht über die Feier eines historischen Ereignisses hinaus und erkundet Jahrtausende alte Ereignisse, die einen tiefen Eindruck auf die menschliche Lebensweise hinterlassen haben. Von den Anfängen des Lebenskonzepts, das auf Nichtteilung und Komplementarität basiert, bis zur entscheidenden Rolle des Wissens bei der Transformation sozioökonomischer und kultureller Asymmetrien bietet dieses Interview eine faszinierende Perspektive. Erfahren Sie mehr über die Stärke Boliviens und sein Engagement für eine Zukunft des Friedens, Gleichgewichts und der Harmonie.

Ab dem Jahr 2009 tritt die neue Verfassung des Staates in Kraft. Bolivien wird zu einem einheitlichen sozialen Staat des Plurinationalen Gemeinschaftsrechts, frei, unabhängig, souverän, demokratisch, interkulturell, dezentralisiert und mit Autonomien.

Von der Widerstandsbewegung der Ureinwohner bis zum Plurinationalen Staat Bolivien

In einem retrospektiven Blick erforschte das Interview die Geschichte der Ureinwohner, ihren Widerstand während der kolonialen Invasion und während der republikanischen Regierungen.

"Die Ureinwohner, die heute in Bolivien leben, bewahren ihren Kern um Tiawanaku, der antiken Metropole des Abya Yala, heute Amerika genannt", kommentiert die Geschäftsträgerin und Journalistin María Jolanta Materna Gorna.

Während der kolonialen Invasion wurden etwa zwei Drittel der Bewohner des Abya Yala ausgelöscht. Der koloniale Staat unterwarf die Ureinwohner drei Jahrhunderte lang einem heimlichen Leben, in dem ihre ursprünglichen Nachnamen, ihre Muttersprachen, ihre Kleidung, ihre Ponchos und ihre typischen Röcke einer strukturellen Diskriminierung ausgesetzt waren. Die Ureinwohner im Osten des Landes waren für den kolonialen und den republikanischen Staat unsichtbar und nicht existent.

Über die Unterwerfung und Heimlichkeit in ihrem eigenen Land haben die rebellischen und weisen Ureinwohner Boliviens mutige und visionäre Bindungen um die dreifarbige republikanische Flagge geschaffen, um die republikanische Hymne, in den Kämpfen um die Verteidigung des Territoriums und um die Wiederbegegnung mit unserem Meer.

Encargada de Negocios  María Jolanta Materna Gorna. Foto: CulturaLatina
Geschäftsträgerin, Frau María Jolanta Materna Gorna. Foto: CulturaLatina
Encargada de Negocios  María Jolanta Materna Gorna. Foto: CulturaLatina
Geschäftsträgerin, Frau María Jolanta Materna Gorna. Foto: CulturaLatina

Die Amtsträger des republikanischen Staates haben ihre Macht durch die Förderung von Spaltung, Diskriminierung und Rassismus unter den Bolivianern aufrechterhalten. Dieses System machte nicht alle Bolivianer frei. Die Republik hat ein ausschließendes liberales Projekt aufgestellt, in dem Ureinwohner, Indigene und Bauern zwar geeignet waren, zu dienen und zu gehorchen, aber unfähig waren zu regieren. Das Volk war einfach die Leiter, um die Eliten der Rechten und der Linken politisch an die Macht zu bringen.

Das politische Erwachen im Jahr 2006 hat das bolivianische Volk dazu gebracht, die neue Verfassung des Plurinationalen Staates Bolivien im Jahr 2009 zu konsolidieren. Diese Verfassung hat die Grundlagen der Ungleichheit, des strukturellen Rassismus, der Spaltung und der republikanischen Konfrontation überwunden. Der Plurinationale Staat Bolivien kämpft auch nach fünfzehn Jahren seiner Geschichte weiterhin gegen sozioökonomische Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und stark kolonisierte Denkmuster, so kommentiert unsere Gesprächspartnerin. In diesen 15 Jahren hat der Staat einen integrativen, inklusiven und pluralen Weg auf der Grundlage des ursprünglichen Denkens der Qhapaq Ñan der Ayllus, Markas-Tentas, des Ayni, des Chachawarmi, des Mauchi, des Ñandereco und der Iyambae gefestigt.

Der Plurinationale Staat ist eine Begegnung zwischen den Wurzeln der Vorfahren und der hoffnungsvollen Zukunft, zwischen dem, was wir sind und sein wollen, zwischen unserer Vergangenheit und unserer Zukunft. In der Weisheit der vergangenen Völker liegt der Weg nach vorne, nicht nach hinten, wir können ihn sehen, wir wissen, wie er ist, während die Zukunft uns im Rücken verborgen bleibt. Unsere Vergangenheit definiert, wer wir sind, und hinterlässt eine tiefe Spur, die unsere Zukunft prägt - fuhr Frau Materna Gorna fort.

Das verfassungsmäßige Mandat des Qhapaq Ñam (Gutes Leben) ist keine Utopie, keine Rhetorik, sondern die Realität unserer Vergangenheit, die ein würdiges, ergänzendes, harmonisches und gerechtes Leben garantiert.

Das Interview untersuchte auch die Rolle Boliviens bei der Erhaltung der Umwelt und dem Beitrag zur globalen Gesundheit. "Die biologische Vielfalt ist ein Schatz, den wir schützen müssen. In Bolivien sind wir verpflichtet, unsere Ökosysteme zu erhalten und Hüter einer Biodiversität zu sein, die nicht nur uns gehört, sondern auch Teil des globalen Erbes ist", betonte die Geschäftsträgerin.

Encargada de Negocios  María Jolanta Materna Gorna. Foto: CulturaLatina
Wirtschaftsbeauftragte María Jolanta Materna Gorna mit María Taramona, Direktorin der Zeitschrift "CulturaLatina & Österreichische Kultur". Foto: CulturaLatina

Außerdem wurde die Vision Boliviens als Träger von altertümlichen Schätzen zur Heilung des Planeten und der Menschheit erörtert, wobei die Verbindung zwischen der Tiwanakota-Weltanschauung und der Suche nach Gleichgewicht mit der Natur hervorgehoben wurde. "Unsere Schätze sind nicht nur materiell, sondern auch spirituell. Aus der Tiwanakota-Weltanschauung verstehen wir die Bedeutung der Wiederherstellung der Harmonie zwischen Menschheit und Erde. Wir sind Träger von Wissen und Praktiken, die zur Heilung des Planeten und der Menschheit beitragen können", erklärte Materna Gorna.

Der imposante Kondor unseres Wappens weist darauf hin, dass er nur abheben kann, wenn seine beiden Flügel im perfekten Gleichgewicht und in Harmonie sind.
- Choquehuanca, 2021.

Wir sind nicht allein, wir gehören zu Wiña und Marka, dem ewigen Volk. Wenn unser Volk kämpft, kämpfen auch unsere Vorfahren, unsere Pachamama, unsere Verstorbenen, unsere Berge, unsere Wiphala.

¡Jallalla Estado Plurinacional de Bolivia!

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Dieses Interview lädt uns dazu ein, über die Fähigkeit zur Veränderung und Entwicklung einer Nation nachzudenken. Bolivien bietet uns in seiner Suche nach Gerechtigkeit und seiner tief verwurzelten Verbindung zur Natur nicht nur eine Geschichtsstunde, sondern auch eine kraftvolle Erinnerung an die gemeinsame Verantwortung für eine geteilte Zukunft. Der Reichtum seiner Vielfalt und die Bewahrung seiner alten Schätze sollen uns alle dazu inspirieren, unsere Rolle im Aufbau einer Welt zu überdenken, in der Resilienz, Gerechtigkeit und Harmonie miteinander existieren. Wir danken der Geschäftsträgerin des Plurinationalen Staates Bolivien, Frau María Jolanta Materna Gorna, dafür, dass sie Zeit für dieses inspirierende und bereichernde Interview aufgewendet hat. •

Botschaft des Plurinationalen Staates Bolivien in Wien
Prinz-Eugen-Straße 18, 1040 Wien
01 5874675
www.embajada-bolivia.at 

 

 

 

Letzte Änderung am Dienstag, 06 Februar 2024 22:00
Maria Taramona

María Elena Taramona de Rodríguez, bekannt als Maria Taramona, ist Journalistin, Grafikdesignerin sowie Chefredakteurin und Herausgeberin der Zeitschrift „CulturaLatina & Österreich“.
Sie hat Informatik studiert und ein Diplom im Bereich Marketing erworben. Seit 2005 lebt sie in Österreich, wo sie 2009 in Wien ihre eigene Werbeagentur gründete. Daraus entstand später das zweisprachige Magazin „CulturaLatina & Österreich“, das zunächst die spanischsprachige Community vernetzen sollte und sich heute zu einer Plattform für kulturelle, gesellschaftliche und diplomatische Themen aus Österreich und der lateinamerikanischen Szene entwickelt hat.

Mit großem Engagement setzt sich Maria Taramona dafür ein, Brücken zwischen der österreichischen und internationalen Kulturen zu bauen, den interkulturellen Austausch zu fördern und so gegenseitigen Respekt sowie eine offene, vielfältige Gesellschaft zu stärken.

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