Auf der Pressekonferenz wies der Direktor des Weltmuseums, Jonathan Fine, darauf hin, dass dieser Saal des Museums in den kommenden Monaten zu einem partizipativen Raum für experimentelle Ausstellungen zu verschiedenen Themen werden wird. Ausgestorben!? zeigt heute den Anfang von vielen weiteren Themen, die sich im Laufe des Jahres weiterentwickeln werden, mit Vitrinen, die parallel dazu gefüllt werden. "Wir wollen keine fertigen Antworten präsentieren, sondern zum Nachdenken anregen", betonte Fine.

Jonathan Fine erklärte, wie wichtig es ist, mit dieser ersten Ausstellung die Klimakrise zu thematisieren. Das einjährige Projekt soll politische Resonanz erzeugen und eine andere Kommunikationsebene schaffen, in der Lösungsvorschläge eine gangbare Möglichkeit sind, die aktuelle Herausforderungen zu verbessern. "Ich denke, Ausstellungen sind gute Laboratorien, in denen man experimentieren und Dinge ausprobieren kann. Und wenn etwas bewahrt wird, ist das natürlich auch unsere Aufgabe", so der Direktor des Weltmuseums.
Kuratorin Claudia Augustat sagte, dass das Projekt dokumentiert und die Diskussionen, die hier in den nächsten 12 Monaten stattfinden, veröffentlicht werden sollen. Diese Berichte könnten auch auf der Website takingcareproject.eu veröffentlicht werden.
"Wir haben auch einen Vorschlag von der Uruguayischen Botschaft in Wien erhalten, und wir sprechen darüber, wie wir ihn im Rahmen der Ausstellung entwickeln können. Wir hoffen, dass die Leute sich weiterhin beteiligen. Wir haben große Vitrinen mit viel Platz und vielen Möglichkeiten und eine garantierte Laufzeit von zwei Monaten. Wenn jemand anderes etwas Spannendes zeigen will, dann kommt derjenige zum Zug", so Claudia Augustat.
In Zusammenarbeit mit Partnern insbesondere aus Lateinamerika hat das Kuratorinnen-Team bereits erste Schwerpunkte gesetzt, um "gängige Narrative des Aussterbens in Frage zu stellen und aus anderen Perspektiven neu zu erzählen", wie Kuratorin Claudia Augustat erläuterte. So widmet man sich etwa den Selk'nam, die in ihrem Siedlungsgebiet in Feuerland nach einem Genozid im 19. Jahrhundert als ausgestorben gelten, da die Überlebenden vom Staat nicht als Gemeinschaft anerkannt werden. In der Ausstellung präsentieren die Selk'nam-Aktivistin Fernanda Olivares und der Künstler Nicolás Spencer in einer offenen Vitrine, in die sich die Besucher:innen setzen können, eine Sound-Installation sowie ein 3D-Replikat eines - mittlerweile auf Bitten der Aktivisten in der Sammlung nicht mehr zu sehenden - spirituellen Objekts.
Die Besucher:innen können sich aktiv an der Ausstellung beteiligen und so ihren eigenen Beitrag dazu leisten. Es besteht auch die Möglichkeit, Fragen zu kommentieren oder andere Themen vorzuschlagen. Das Publikum kann auch an Workshops im Rahmen der Ausstellung teilnehmen.
Partizipation auch im Kern des Museums
Kuratorin Claudia Augustat erklärte, dass sowohl das Format als auch die Ausstellung selbst in einem partizipativen, teambasierten Ansatz entwickelt wurden. Partizipation ist bei diesem Projekt der Schlüssel. Das Team setzt sich zusammen aus: Petra Fuchs-Jebinger, Nora Haas, Christiane Jordan, Doris Prlic (Koordination TAKING CARE), Anna Resch, Renée Riedler und Design von Michaela Noll und Julia Neudorfer. Neben den Experten und Partnern aus Lateinamerika.
Projekt TAKING CARE – Ethnographic and World Cultures Museums as Spaces of Care
Die Ausstellung ist Teil des Projekts TAKING CARE - Museums as Spaces of Care, das im Oktober 2019 startete. TAKING CARE stellt Museen für Ethnografie und Weltkulturen in den Mittelpunkt der Suche nach möglichen Strategien zur Erforschung der Verbindungen zwischen ethnografischen Sammlungen und Fragen zur Klimakrise und dem Anthropozän. Es befasst sich auch mit Fragen im Zusammenhang mit dem Nachkriegskolonialismus.
Das auf vier Jahre angelegte Projekt bringt vierzehn Partnerorganisationen zusammen und wird durch das EU-Programm Creative Europe kofinanziert.


Ausgestorben!? Was verbirgt sich hinter diesem Konzept?
Augustat erklärte anhand eines Beispiels, dass es manchmal nicht stimmt, dass eine Art oder Rasse ausgestorben ist. In den frühen 1820er Jahren, etwa zur Zeit von Leopoldinas Heirat, kaufte der österreichische Arzt und Botaniker Johann Emanuel Pohl einen Korb von den Ureinwohnern Südbrasiliens, den Kayapó. Sie standen unter enormem Druck der Kolonialregierung.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten die Kayapó als ausgestorben. Doch Pohl entdeckte anhand einer Liste von Wörtern in der Kayapó-Sprache, dass sie noch lebten. Später stellte man fest, dass sich die südlichen Kayapó bewusst aus der Kolonialmacht zurückzogen, in die so genannte Rückzugszone, von der sie auch in ihrer Mythologie sprechen, abwanderten und dort einfach in relativer Isolation weiterlebten. Es ist also manchmal ein Mythos, dass indigene Gruppen ausgestorben sind.






Die Vitrinen – Work in Progress
Die Vitrinen werden im Laufe der Ausstellung kontinuierlich befüllt. Es gibt Platz für neue Objekte, die die Gemeinschaften selbst mitbringen oder vorschlagen können.
Tierwelt
Eine weitere Vitrine ist dem Aussterben in der Tierwelt gewidmet. Anhand der Geschichte von vier Vögeln - wie dem indischen Geier, der wegen des Antibiotikums in den Kühen, deren Kadaver er frisst, vom Aussterben bedroht ist - werden die Gründe für das (drohende) Aussterben und Projekte zur Rettung der wenigen verbliebenen Vögel vorgestellt. Die Vögel sind eine Leihgabe des Naturhistorischen Museums Wien.
zam
Das zam ist ein Ort, an dem Menschen zuhören, reden und Erfahrungen austauschen. Es ist ein Ort, an dem die Rollen im Museum neu überdacht werden, an dem z. B. Kuratoren Informationen geben, Herkunftsgemeinschaften ihre Geschichten erzählen und Besucher heilen. Eintritt frei. Täglich außer mittwochs von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr und dienstags von 10.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet.

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Ausstellung Ausgestorben!?
www.weltmuseumwien.at
Freier Eintritt
Weltmuseum Wien
Heldenplatz, 1010 Wien
+43 1 534 30-5052
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